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Immer öfter ist in den Medien von der „neuen Realität“ zu lesen oder zu hören. In diese neue Realität müssen oder sollen wir uns hineinfinden. Ich finde diesen Begriff – wie manch anderen, mit dem wir in den letzten Wochen bombardiert wurden – völlig falsch, um nicht zu sagen irreführend. Es gibt keine neue Realität, denn dann müsste es auch eine alte geben. Realität wäre damit etwas statisches, unveränderliches oder doch zumindest mittelfristig stabiles. So ist es allerdings nicht. Es gibt nur eine Realität, und zwar eine augenblickliche. Die ist so wie sie ist und wie ich sie wahrnehme. Ich kenne und sehe natürlich nur einen kleinen Ausschnitt dieser Realität. Eine Realität ist verdammt groß und wie wir in den letzten Wochen gelernt haben, kann sie sich trotzdem schnell verändern.

Corona & Restaurants

Die alte Realität, die es geben müsste, wenn es eine neue gibt, wird nicht wiederkommen. Sie ist sozusagen dem Virus zum Opfer gefallen. Die Corona-Pandemie ist Realität geworden und wird, wenn nicht für immer, so doch auf unabsehbare Zeit bleiben. Vielleicht werden wir uns bald wieder in Cafés, Restaurants und Bars treffen können. Natürlich nur mit gewaschenen Händen, zwei Meter Abstand und Atemschutzmaske. Diese schieben wir für jeden Schluck, jeden Bissen, jedes Lächeln ein Stück nach oben oder unten. Wahrscheinlich wird es bald auch dafür eine Anweisung geben, wie lange der Mund zum Zwecke der Nahrungsaufnahme unbedeckt sein darf. Getränke dürfen nur noch mit Strohhalm serviert werden. Ich sehe schon die entsprechenden Icons an jeder Kneipentür. Lächeln bitte nur mit den Augen.

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Die Masken

Hinter den Masken staut sich allerhand an. Der Bierdunst umnebelt die Nase. Mund- und Knoblauchgeruch lassen einen förmlich ersticken. Raucher trifft es besonders hart. Erst waren sie Hauptrisikogruppe, jetzt werden sie von ihrem kalten Atem gequält. Bartträger sind auch nicht zu beneiden! Die Musik ist überall auf minimaler Lautstärke, da sonst keiner ein gesprochenes Wort versteht. Der Raum ist erfüllt von einem gedämpften Genuschel, durch das nur ein echtes Lachen dringt. Die Kellnerinnen und Kellner in entsprechender Schutzkleidung dürfen nur noch mit Servierwagen durch den Raum fahren, das Besteck ist steril verpackt und nachdem die Gäste gingen, muss der Tisch 24 Stunden unbenutzt bleiben.

Es fällt einem gar nicht schwer, sich so eine neue Realität vorzustellen oder anderen vorzuschreiben. Das Erstaunliche daran ist, dass sie uns gar nicht so weit entfernt erscheint. Was uns vor wenigen Wochen völlig absurd erschienen wäre, ist fast greifbar geworden. Mein Wunsch für die nahe Zukunft ist, dass wir zu einer menschlichen Normalität zurückkehren. Das Virus ist gekommen um zu bleiben. Das Leben ist und bleibt lebensgefährlich.

Ein Gastbeitrag von Jakob Stein